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PDF Seite angelegt am: 20.10.2006 ; Letze Bearbeitung: 02.08.2022

Verfahrenshilfe

Verfahrenshilfeformular am Bildschirm ausfüllbares Verfahrenshilfeformular

gesetzliche Bestimmungen (§§ 63 ff ZPO) 

Personen, die wirtschaftlich schlechter gestellt sind, wird über Antrag vom Gericht in Zivil- und Strafsachen die Verfahrenshilfe (in unterschiedlichem Ausmaß - § 64 ZPO) bewilligt und wenn das Gericht auch einen Rechtsanwalt im Rahmen der Verfahrenshilfe bewilligt, von der Rechtsanwaltskammer ein Rechtsanwalt zur unentgeltlichen Rechtsvertretung zur Verfügung gestellt. Die Einkommensgrenze liegt derzeit bei rund S 10.000,00 ohne weitere Sorgepflichten, jedoch je nach absehbarem Verfahrensaufwand. Die Rechtsanwaltskammer kann auch einen "Wunschanwalt" als Verfahrenshelfer bestellen. Dies ist aber von der Zustimmung des zu bestellenden Anwaltes abhängig. Gegen die Verweigerung kann der Antragsteller, gegen die Gewährung der Verfahrenshilfe der Gegner Rekurs erheben. Ein Revisionsrekurs in Sachen Verfahrenshilfe ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs. 2 Z. 4 ZPO).

Einer alleinstehenden Person müssen jedenfalls € 950,00 zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts verbleiben (EF-Slg 111.939 = LG für ZRS Wien 2005/04/25, 44 R 222/05f). Keine Gewährung der Verfahrenshilfe bei einem verbleibenden Einkommen von € 1.100,00 (EF-Slg 111.940). Verbleiben dem Antragsteller für sich und die vierköpfige Familie € 1.300,00, ist Verfahrenshilfe selbst für Gerichtsgebühren von € 200,00 zu gewähren (EF-Slg 111.9419).

In Verfahren in denen Anwaltszwang herrscht, ist auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes vorgesehen. In anderen Verfahren nur bei außergewöhnlicher Schwierigkeit des Falles oder quasi bei besonderer  Unbeholfenheit des Betroffenen (EF-Slg 85.251, 82.184, 79.168, 66.961, .
Die meisten Gerichten geben bei Scheidungsverfahren in erster Instanz keinen Rechtsanwalt bei.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass Rechtsmittel auch zu Protokoll unter Anleitung eines Richters gegeben werden können (§ 520 Abs. 1 ZPO).

Die subsidiäre Geldunterhaltspflicht der Mutter, die das Verfahrenshilfe anstrebende Kind in ihrem Haushalt betreut, erstreckt sich auch auf die Kosten eines Exekutionsverfahrens. Um dem Kind Verfahrenshilfe bewilligen zu können, müssen die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO auch bei der naturalunterhaltspflichtigen Mutter vorliegen (LG Leoben 2005/07/11, 32 R 149/05i).

Anmerkung: die Entscheidung des LG Leoben ist auch in der Praxis sehr bedeutsam, da in Verfahren wegen Unterhalt von minderjährigen Kindern bei Einholung von Gutachten den Kindern gerne Verfahrenshilfe gewährt wird und der Unterhaltspflichtige oft mit einer Solidarhaftung konfrontiert ist, die letztlich darauf hinausläuft, dass er alleine auf den kosten "sitzenbleibt".

Gegenteilig: LG für ZRS Wien 2005/08//30, 42 R 324/05s

Nach derzeit geltender Rechtslage kann im Strafverfahren dem Opfer (als Privatbeteiligtem) kein Anwalt als Verfahrenshelfer beigegeben werden. Allerdings bieten die Rechtsanwaltskammern dieses Service in Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendanwaltschaften bei Strafverfahren wegen sexuellem Missbrauch an.

Eine nachträgliche Befreiung von Gerichtsgebühren im Wege der Verfahrenshilfe ist nicht möglich. Mit Antragstellung oder Klagsführung ist daher unbedingt auch sofort der Antrag auf Verfahrenshilfe zu stellen (EF-Slg 72.905).

Ein Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb offener Rechtsmittelfrist unterbricht diese (d.h. sie läuft nicht mehr). Diese Rechtsmittelfrist beginnt neu zu laufen mit rechtskräftiger Abweisung des Antrages auf Beigebung eines Rechtsanwaltes oder mit der Zustellung des Bescheides der Rechtsanwaltskammer mit dem ein bestimmter Anwalt beigegeben wird (u.a. §§ 73, 464 Abs. 3, 521 ZPO). Dies gilt auch im Außerstreitverfahren (OGH 1999/03/25,, 6 Ob 311/98y).

 § 71 ZPO bietet keine Grundlage für einen Beschluss, mit dem im Rahmen der Verfahrenshilfe gestundete Beträge für uneinbringlich erklärt werden . Die Dreijahresfrist des § 71 ZPO wird nicht durch ein einfaches Ruhen des Verfahrens ausgelöst (OLG Wien 2005/06/16, 10 Ra 73/05m).

Bescheinigungen:

Im Rahmen der Verfahrenshilfeanträge sind die Voraussetzungen zu bescheinigen. Es ist zu beachten, dass Mängel bei der Bescheinigung zu Lasten der Partei gehen, die die Verfahrenshilfe beantragt 

Achtung Falle:

Der Verfahrenshilfe in Zivilrechtssachen kann widerrufen werden (erlöschen oder entzogen werden). Es kann daher innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens die Nachzahlung von Beträgen an Sachverständigengebühren und Rechtsanwaltshonorar vorgeschrieben werden, wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse entsprechend gebessert haben (§ 71 ZPO). Hier kann es zu bösen Überraschungen kommen, weil es an der Aufklärung durchaus oft mangelt.

 In Strafverfahren ist ein derartiger (rückwirkender) Widerruf nicht vorgesehen (§§ 41f StPO) und wird auch von der Rechtssprechung ausdrücklich abgelehnt (EvBl 1975/305; SSt 46/27).

Verbesserung von Verfahrenshilfeanträgen:

Gelegentlich werden Verfahrenshilfeanträge ohne Formblatt eingebracht und dann zur Verbesserung binnen einer relativ kurzen Frist zurückgestellt. Bitte beachten, dass diese Verbesserungsfrist nur zu laufen beginnt, wenn ein solches Formblatt vom Gericht angeschlossen wurde (OGH 1995/09/20, 10 ObS 165/95).

Verfahrenshilfe in Pflegschaftsverfahren

In Pflegschaftsverfahren (Unterhalt Kinder - Vertretung durch Jugendamt möglich EF-Slg 82.183, Obsorge, Besuchsrecht) wird in der Regel kein Rechtsanwalt beigegeben. Siehe aber die Entscheidung des EGMR P., C. & S. gegen das Vereinigte Königreich vom 2002/07/16. In Pflegschaftsverfahren ist in der Regel ein Anwalt nicht beizugeben, da keine Anwaltspflicht besteht und auch der Grundsatz der Amstwegigkeit vorherrschtund auch ein hoher Prozentsatz von Rechtsmitteln zielführend von den Parteien selbst verfasst wird (EFSlg 111.992; 111.993).

Die subsidiäre Geldunterhaltspflicht der Mutter, die das Verfahrenshilfe anstrebende Kind in ihrem Haushalt betreut, erstreckt sich auch auf die Kosten eines Exekutionsverfahrens. Um dem Kind Verfahrenshilfe bewilligen zu können, müssen die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO auch bei der naturalunterhaltspflichtigen Mutter vorliegen (LG Leoben 2005/07/11, 32 R 149/05i).

Anmerkung: die Entscheidung des LG Leoben ist auch in der Praxis sehr bedeutsam, da in Verfahren wegen Unterhalt von minderjährigen Kindern bei Einholung von Gutachten den Kindern gerne Verfahrenshilfe gewährt wird und der Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterUnterhaltspflichtige oft mit einer Solidarhaftung konfrontiert ist, die letztlich darauf hinausläuft, dass er alleine auf den Kosten "sitzenbleibt". Nach meiner Wahrnehmung ist die E aber vereinzelt geblieben bzw. wurde ausdrücklich abgelehnt.

Gegenteilig: LG für ZRS Wien 2005/08//30, 42 R 324/05s

Aber:

Bei besonders emotional geführten Besuchsrechtsverfahren kann auch ein Rechtsanwalt in Verfahrenshilfe beigegeben werden, insbesondere wenn Beugestrafen bis zur Beugehaft beantragt sind (LG Linz 2004/02/19, 15 R 427/03z).

Anmerkung: Irgendwie bemerkenswert. Die KM boykottiert das vereinbarte Besuchsrecht auf Teufel komm raus monatelang, stellt so nebenbei einen Aussetzungsantrag, das Gericht tut wenig, außer ein Gutachten einholen - das wenig überraschend - eine BesuchsrechtsAUSDEHNUNG - empfiehlt und der Rekurssenat wirft zwischen den Zeilen dem Vater die Beugestrafenanträge vor - die KM wird auch noch mit Verfahrenshilfeanwalt belohnt. Folgerung: je massiver der Rechtsbruch ist und die geforderten Sanktionen gegen den Rechtsbruch, desto leichter kriegt der Rechtsbrecher den Anwalt umsonst, man muss Jurist sein, um diesen Krampf zu verstehen :-((